Auszeichnungen Infrastruktur
Aufgelegt und ausgebaut

Grossartig ist die Einfachheit der Massnahmen, mit denen das nationale Baudenkmal von 1902 auf Doppelspur und für Geschwindigkeiten bis zu 160 km/h ausgebaut werden konnte. Das lange Viadukt mit anschliessendem Erddamm ist eine massive Natursteinkonstruktion von neoklassizistischer Strenge. Zur Flussquerung dient ein filigranes Stahlfachwerk, das ebenfalls erneuert wurde. Aufgrund der neuen Höchstgeschwindigkeit musste die Linienführung beim kürzeren Teil des Viadukts leicht angepasst und deren Pfeiler verbreitert werden.
Um die materielle Einheit zu wahren, wurde Naturstein gewählt. Damit möglichst viel der wertvollen Bausubstanz erhalten werden konnte, wurde ein neuer Stahlbetontrog mit Schotterfüllung auf das Viadukt aufgelegt, der seitlich mehrere Meter auskragt und sich als feine Linie vom Bestand abhebt. Dieses schlanke, im Querschnitt perfekt austarierte Bauteil ist das einzige sichtbare Zeichen der Erneuerung, das überdies den Bestand vor Witterung schützt.
Innerhalb von nur fünf Wochen musste die gesamte Fahrbahn erstellt werden. Das gelang, indem der Trog aus passgenau vorgefertigten Betonelementen konstruiert wurde. Ein Raupenkran hob die Teile auf das Viadukt, wo sie ohne mechanische Befestigung auf dem historischen Bauwerk aufliegen. Mit Spannkabeln zu rund 90 m langen Platten zusammengefügt, können sie im Notfall alle Lasten mittels Reibung aufnehmen und an das Tragwerk abgeben. Die aussergewohnliche Robustheit der bestehenden Struktur, deren Stampfbetonfundamente teils mit Injektionen stabilisiert wurden, ermöglicht die Aufnahme des erheblichen Zusatzgewichts. Mit minimalem Materialaufwand verdoppelt dieses raffinierte Ausbauprojekt die Kapazität wie auch die Lebensdauer des landschaftsprägenden Infrastrukturbauwerks und erweist sich damit als nachhaltig im umfassenden Sinne.
Projektbeschrieb
- Architektur: Flury und Rudolf Architekten AG
- Ingenieurwesen: Fürst Laffranchi Bauingenieure GmbH
- Aufgabe: Erweiterung
- Projektstart: 2013
- Fertigstellung: 2021
Laudatio auf das ausgezeichnete Infrastrukturbauwerk
Vom Ort getragen
Neue Aarebrücke, Aarau

Die Brücke ersetzt ihre baufällige Vorgängerin und fungiert als städtebauliches und identitätsstiftendes Element, das die älteste Verbindung über den Fluss zur höher gelegenen Altstadt erneuert. Die Formgebung knüpft an historische Vorbilder an und ist eng auf den Ort bezogen. Die handwerklich hochstehende Ausführung in gelblich eingefärbtem Sichtbeton verleiht dem Bauwerk eine zur bestehenden Vorlandbrücke passende Erscheinung. Die raumgreifenden Flügelmauern verankern die Brücke an den beiden Ufern und betten sie gekonnt in die Landschaft ein.
Die Mauern führen zu den Promenaden entlang des Flusses, die dank einer Aufwertung der Durchgänge unter der Brücke für die Bevölkerung einen grossen Mehrwert bieten. Die Bogenbrücke von 119 m Länge baut auf den Caissons der Vorgängerin von 1949 auf. Damit übernimmt sie die Dreiteilung in der Querung auf. Damit übernimmt sie die Dreiteilung in der Querung des Flusses. Die grösste Spannweite beträgt 44 m, die seitlichen sowie die Bögen bei den Durchgängen ergänzen das Bauwerk zu einer rhythmischen Abfolge von hoher Körperlichkeit.
Entstanden ist ein integrales Tragwerk, das sich zwischen Durchlaufträger und Bogenbrücke bewegt und sich in dieser Form nur in Beton realisieren liess. In Brückenmitte sind die Seitenwände nach aussen geneigt, weil die bestehenden Fundamente schmaler sind als die neue Brücke, wohingegen sich die Ufermauern zum Hang hinneigen. Auch das trägt zur dynamischen Gesamtwirkung bei. Das vertikale Schalungsbild der Seiten und Flügelmauern steht sinnbildlich für den Gussprozess und damit die Abkehr von schichtweise gefügten Steinkonstruktionen. Vielleicht der schönste Raum ist derjenige unter der Brücke: Indem die Pfeiler mittels grossen Ellipsen aufgelöst sind, konnte nicht nur Material gespart werden, sondern ergibt sich auch eine Öffnung quer zum Fluss, die eine überraschende Transparenz und Leichtigkeit erzeugt.
Projektbeschrieb
- Architektur: Christ &Gantenbein
- Ingenieurwesen: WMM Ingenieure AG, Henauer Gugler AG Ingenieure und Planer
- Aufgabe: Neubau
- Verfahren: Wettbewerb
- Projektstart: 2010
- Fertigstellung: 2023